Lokalisierungsstrategien für Websites

Das Internet ist ein Medium, das auf der ganzen Welt genutzt wird, mit dem man also auch Botschaften weltweit verbreiten kann – seien es persönliche Anliegen oder geschäftliche Informationen, mit denen man Kunden für sein Produkt gewinnen will. Allerdings spricht das Internet – wie die „richtige“ Welt auch – viele Sprachen. Und das nicht nur verbal: Auch Symbolik, Methapern und Paradigmen unterscheiden sich von Land zu Land und von Kultur zu Kultur. Eine gut Website-Lokaliserung sollte die Menschen in den verschiedenen Ländern dieser Welt jeweils genau dort abholen, wo sie stehen.

Erfahrene Verkäufer wissen, dass Menschen auch ganz vernünftige Dinge wie Zahnbürsten oder Bohrmaschinen mehr mit dem Bauch als mit dem Kopf kaufen. Auch eine Website sollte daher zu aller erst einmal Sympathien wecken, dem ästhetischen Gefühl des Betrachters, seinen Seh- und Lesegewohnheiten entgegenkommen. Obwohl man meinen sollte, dass gerade durch das und im Internet sich alles weltweit angleicht, wird man in Wirklichkeit feststellen, dass erhebliche Unterschiede in den Seh- und Surfgewohnheiten zwischen den Kulturen bestehen. Und die muss man berücksichtigen,wenn man seine Anliegen weltweit vermitteln will.

International sichtbar sein

Die schönste Website nutzt nichts, wenn niemand sie besucht. Besucht wird eine Website, wenn sie gefunden wird. Und um gefunden zu werden, muss sie die richtigen Suchbegriffe enthalten und von den Suchmaschinen zu diesen Suchbegriffen für relevant angesehen werden.

Daher wird zwar vielleicht jeder zweite oder dritte Mensch auf der Welt eine auf Englisch erstellte Website einigermaßen lesen können, wenn sie keine zu anspruchsvollen Texte enthält – aber er wird sie schlichtweg nicht finden. Eine  englische Website, die sagen wir einmal, Rasierapparate und Zubehör verkauft, kann noch so schön auf die gängigen englischen Suchbegriffe zu diesem Thema optimiert sein – ein Russe oder ein Chinese, die sich einen Rasierapparat oder Rasierklingen bestellen wollen, suchen eben nicht nach „electric razor“ oder „razor blades“ sondern nach den Wörtern, mit denen diese Dinge in ihren Sprachen bezeichnet werden. Und natürlich bevorzugen auch Menschen, die gut Englisch sprechen, eine Website, auf der sie sich in ihrer hauptsächlich gebrauchten, also meist in ihrer Muttersprache, informieren können.

Will man also ernsthaft in einem fremden Land verkaufen, benötigt man eine Seite in der Landessprache. Die muss dann auch für die Begriffe suchmaschinenoptimiert sein, die von den Leuten in diesem Land für die jeweiligen Artikel verwendet werden. Und übrigens auch nicht unbedingt nur für Google. Der ist nämlich nur in Europa das Maß aller SEO-Dinge, weil er mehr als 90% aller Suchanfragen bearbeiten darf. In seinem eigenen Heimatland, den USA ist er zwar auch Marktführer, jedoch werden hier nur etwa die Hälfte der Internetsuchen mit ihm durchgeführt. Es wird einem also nichts anderes übrig bleiben, als jede Sprachversion einer Website für sich und ihr Zielland einem individuellen SEO zu unterziehen und dabei auch berücksichtigen, dass in der Deutschschweiz ein Fahrrad ein „Velo“ ist und in Österreich ein Tabakwarenladen eine „Traffik“ ist.

Die Schrift bestimmt das Layout

Es gibt gute und bewährte Regeln für den Aufbau von Websites, die jeder Webdesigner kennt. Abgesehen davon, dass man auch gute Regeln hin und wieder brechen muss, haben sie einen Haken: Sie funktionieren bei Menschen, die Schriften benutzen, die man von links oben nach rechts unten liest, also bei der lateinischen, der griechischen und der kyrillischen Schrift.

Die bekannte Regel, das auf einem guten Bild ein starker Blickfang links oben und ein weiterer rechts unten sitzen soll, ist ein gutes Beispiele für diesen Zusammenhang. Ein Bild – oder ein Webseiten-Layout – das diese Regel berücksichtigt, wird einem Amerikaner, einem Deutschen oder auch einem Serben oder Griechen gefallen, für eine Araber oder ein Chinesen würde es komisch aussehen. Man muss sich also für Länder, deren Sprache in eine andere Richtung geschrieben wird, andere Designs ausdenken als für europäische Länder.

Kulturen, Trends und Vorlieben

Auch bei den sonstigen Vorlieben unterscheiden sich die Menschen: Wir würden eine Website, bei deren Besuch nacheinander x verschiedene Fenster aufgehen, albern und nervig finden. In Asien hingegen lieben die Leute so etwas. Auch darf es dort durchaus um einiges poppiger und bunter sein als bei uns.

Ein weiterer Punkt sind die allgemeinen Vorlieben und Trends die in einem Land herrschen: In Spanien und Mexiko etwa ist der Stierkampf beliebt, Toreros sind dort Sportidole. In praktisch allen anderen europäischen und nordamerikanischen Ländern wäre eine positive Darstellung des Stierkampfs jedoch ein Mittel um die meisten Besucher nachhaltig zu vergraulen. Eine ähnliche Wirkung könnt man mit Hunden auf Seiten erzielen, die für muslimische Länder gedacht sind: In der westlichen Welt sind sie für die meisten Menschen Sympathieträger, in der islamischen Welt  gelten sie als unrein. Auch erotische Abbildungen sollte man in der arabischen Welt vermeiden, genauso wie in den USA, wo man im Bible Belt in dieser Beziehung kaum über die Zeit von Kaiser Wilhelm und Königin Viktoria hinaus ist.

Jedem Menschen recht getan…

… ist bekanntlich eine Kunst, die niemand kann. Man wird am besten für jeden Kulturkreis ein eigenes Konzept erstellen und dieses dann für die einzelnen Länder variieren. Dazu sollte man sich jedoch gute Fachleute holen, die sich mit der Sprache und dem derzeitigen Alltagsleben des jeweiligen Landes gut auskennen und zum Beispiel auch die aktuellen Modewörter und sprachlichen Trends beherrschen. Natürlich kann man nicht die ganze Welt auf einmal mit Websites erobern, wenn man nicht gerade ein internationaler Großkonzern ist. Man sollte daher schrittweise vorgehen und etwa nach dem deutschen den englischen Sprachraum abdecken, dann den spanischen, den Rest von Europa, China, Indien…  und so weiter. So kann man zwar nicht jedes kleine Land individuell, aber doch zumindest die großen Kulturräume erreichen.

 

Über den Autor des Gastbeitrages:
Christian Arno ist Gründer und Geschäftsführer des internationalen
 Übersetzungsbüro Lingo24, der auf drei Kontinenten tätig ist.
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